Kunst Leistungskurs?

Ich habe in der Oberstufe den Kunstleistungskurs belegt. Wenn ich dies erzähle, bekomme ich oft gemischte Reaktionen zurück. Meistens sind es jedoch Aussagen wie „Ich könnte das nicht. Ich kann nicht gut malen.“ oder „Na, da kriegst du ja gute Noten geschenkt, wenn du gut malen kannst.“ oder „Naja gut, wenn man sonst nichts kann, macht man halt Kunst.“. Häufig stelle ich fest, dass Viele denken, im Kunstleistungskurs würde man den lieben langen Tag nur Bilder malen. Voll entspannt und so. Dieses, aus meiner Sicht, falsche Bild entsteht durch die mangelhafte Vorarbeit in der Mittelstufe. Zumindest bei uns bestand der Kunstunterricht bis zur 10. Klasse tatsächlich hauptsächlich aus Bildchen malen und sich drüber freuen. Als ich meine Kurse für die Oberstufe wählen sollte, wusste ich auch nicht so recht, was da auf mich zukommt. Mein Bild von Kunstunterricht war wie gesagt, Bilder malen und eben alles sehr entspannt. Und dann wurde ich doch ein wenig überrascht. Analysen, Interpretationen, Skizzen und Optimierungen. Viele Dinge, die in der Mittelstufe nur sehr wenig berücksichtigt wurden.

Sicher, ein Matheleistungskurs mag qualitativ um einiges anspruchsvoller sein, als ein Kunstleistungskurs. Quantitativ sieht das ganze jedoch ein wenig anders aus. Meine anderen beiden Leistungskurse waren Deutsch und Biologie und ich muss ehrlich sagen, dass ich in Kunst mehr Hausaufgaben und vor allem auch umfangreichere Hausaufgaben hatte, als in den anderen beiden Fächern zusammen. Für meinen Kunstleistungskurs musste ich also tatsächlich deutlich mehr Hausaufgaben erledigen, als für die anderen Fächer. Dafür waren diese Aufgaben jedoch auch immer unterschiedlich. Während es in Deutsch meist um Interpretationen oder in Biologie um die Auswertung von Diagrammen ging, hatte ich in Kunst eine bunte Mischung aus allem. Mal gab es Analysen und Interpretationen, häufiger jedoch praktische Abgaben. Diese waren meist sehr ausführlich und gingen über mehrere Wochen hinweg, in denen sehr viel Zeit für diese Aufgaben investiert werden muss.

Während meiner Vorabiklausurenphase mussten wir beispielsweise eine ganze Mappe mit knapp 30 verschiedenen Bildern und Aufgaben abgeben, die teilweise sehr viel Zeit in Anspruch genommen haben. Die Aufgabe ging über mehrere Wochen, es war viel Abwechslungsreiches dabei. Von Besuchen im Naturhistorischen Museum, in denen ausgestopfte Tiere abgezeichnet werden sollten, über Collagen aus eigenen Kinderbildern, entstand am Ende dann natürlich ein Objekt. Diese Aufgabe hatte sehr viele Facetten und es hat wirklich viel Spaß gemacht, an ihr zu arbeiten. Dennoch war sie mit einem sehr hohen Aufwand verbunden, da alle Aufgaben nach der Schule erledigt wurden und wir im Unterricht keine Zeit dafür hatten.

Die meisten Arbeiten wurden fast immer im ganzen Kurs besprochen. Dies ist auch ein wichtiger Teil im Kunstleistungskurs. Man spricht sehr viel mit anderen über seine Werke, kritisiert und lobt die der anderen und hilft sich so gegenseitig, das bestmögliche rauszuholen. Der Kurszusammenhalt war in diesem Kurs deutlich intensiver als in den anderen Kursen.

Vielleicht ist es auch sinnvoll, die gängisten Aufgabentypen einmal kurz vorzustellen. Es gibt praktische und theoretische Aufgaben. Eine praktische Aufgabe bestand meist darin, am Ende ein Bild oder ein gebautes Objekt präsentieren zu können. Hierfür werden vorher eine ganze Menge Skizzen erstellt. Hier sollen verschiedene Szenarien, Personen und Motive erprobt werden. Dann optimeirt man eine ausgewählte Skizze. Bei der Optimierung können mit Format, Untergrund und Farbe experimentiert werden. Anschließend entsteht das Bild. Zum Schluss folgt dann eine Reflexion. Die Dauer, bis so etwas fertig gestellt ist, variiert stark und ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie die gefordert Anzahl an Skizzen. In einer Klausur (mit meist nur 5 Skizzen) muss man diese Schritte in 135 Minuten (3 Schulstunden) schaffen, was mich in meiner allerersten Klausur zuzugegebener Weise ziemlich unter Druck gesetzt hat. Ich war hinterher so fertig wie nach keiner anderen Klausur. Aber man lernt schnell, sich die Zeit gut einzuteilen und dann passte es auch meistens von der Zeit her.

Gleiches gilt für die theoretischen Aufgaben. Es gab ein Bild, welches analysiert und interpretiert werden sollte. Bei einer langen Klausur, wie der Abiturklausur, gibt es einen Bildvergleich. Zusätzlich werden Kompositionsskizzen angefertigt. Dies sind kleine Skizzen, in denen die Analyseaspekte im Bild verdeutlicht werden sollen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich an solchen Aufgaben einmal so viel Spaß haben würde. Jedes kleine Teil aufdrisseln, man entdeckt während einer Analyse so viele Details und Verbindungen, die auf den ersten Blick unmöglich zu erfassen sind. Es gibt sehr viele Dinge, auf die man ein Bild hin untersuchen könnte, diese aufzuzählen, würde jedoch den Rahmen sprengen.

Zu den Abiturklausuren kann ich sagen, man kann (in Niedersachsen) zwischen einer praktischen und einer theoretischen Aufgabe wählen. Die praktische Klausur beinhaltet eben Skizzen, Optimierungen, das fertige Bild und Reflexion, die Theoretische beinhaltet Analyse, Interpretation und Kompositionsskizzen für einen Bildervergleich. Natürlich muss man an dieser Stelle fairerweise sagen, dass ich für mein Kunstabitur tatsächlich am wenigsten lernen musste, was jedoch sehr angenehm war. Ich habe mich auf die Theorieklausur vorbereitet. Hier musste man jedoch hauptsächlich die Kunstepochen für eine Einordnung sowie eine Liste auswendig lernen, nach der man eben die Analyse anfertigt. Dies hat man im besten Fall jedoch schon bereits für die anderen Klausuren getan, sodass diese nur wiederholt werden musste. An sich war der Lernaufwand für Kunst im Abitur nicht allzu hoch – wenn man die Klasuren vorher ernst nimmt und sich richtig drauf vorbereitet.

Was habe ich aus dem Kunstleistungskurs mitgenommen? Ich habe viele neue Techniken kennengelernt und bereits Bekannte noch verbessert. Durch die theoretischen Aufgaben, die Analysen etc. habe ich mein Interesse an der Kunst entdeckt. Ich bin tatsächlich erst durch den Kunstleistungskurs zur Kunst gekommen. Vorher hatte ich, offen gesagt, nicht wirklich viel Interesse an Kunst und fand diese eher langweilig. Nun, wenn man viel mehr versteht, warum etwas wie gemalt wurde, macht es total Spaß durch Museen zu gehen und die Bilder zu betrachten. Ich habe also tatsächlich auch für mein weiteres Leben etwas aus diesem Kurs mitnehmen können.

Wenn du gerade am überlegen bist, ob du den Leistungskurs in Kunst wählen sollst, kann ich dir nur eins sagen: du wirst zwar vom Schwierigkeitsgrad vermutlich nicht ganz so anspruchsvollen Stoff haben, wie in einem Matheleistungskurs, die Hausaufgaben haben es jedoch in sich. Die Aufgaben sind sehr umfangreich. Aber auch abwechslungsreich. Auch Exkursionen bieten sich in diesem Fach bestens an. Du hast die Möglichkeit, dich selbst zu entwickeln, dich frei zu bewegen und auszuprobieren. Ich würde den Kunstleistungskurs jedem empfehlen, der sich ein wenig für Kunst interessiert, sei es im praktischen oder im theoretischen Bereich – oder aber sich gerne mal ausprobiert und offen für Neues ist. Interessant zu erwähnen ist vielleicht noch, dass man nicht der geborene Picasso sein muss, man kann seine Zeichenkünste gut weiterentwickeln und wie gesagt, der Theorieanteil im Kunstleistungskurs ist wirklich sehr hoch!